2014 // A Girl walks Home alone at Night

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2014 // A Girl walks Home alone at Night

Beitrag von Sponskonaut »

Einen interessanten Film habe ich mir gestern angeschaut. Es handelt sich dabei um die iranisch-amerikanische Produktion "A Girl walks Home alone at Night" (Hollywood-Star Elijah Wood tritt hier auch als Produzent in Erscheinung). Bezeichnet wird der Streifen als "Vampirfilm", wobei dazugesagt sein muss, dass er komplett anders als die Produktionen aus diesem Genre ist, die man sonst so kennt.


  Handlung
Der junge Arash lebt in der iranischen (fiktiven) Stadt "Bad City", wo er mit seinem drogenabhängigen Vater über die Runden zu kommen versucht. Weitere Akteure in diesem Mikrokosmos sind der Drogendealer, der auch Arashs Vater mit Stoff versorgt, dessen Prostituierte, ein kleiner Junge - und ein junges Mädchen, das nachts durch die Straßen streift....
Mir wurde der Film erst kürzlich empfohlen, gehört hatte ich davon bislang gar nichts. Was das Genre betrifft, lässt er sich aber auf keinen Fall ausschließlich der Horror-Sparte zuordnen. Genau genommen ist der "Schocker-Anteil" sogar relativ gering und auf sehr wenige blutige Szenen beschränkt. Die Grenzen zwischen Horror, Drama, Mystery und Thriller verschwischen doch sehr, die Erzählweise ist langsam und eindringlich.

Zu Beginn habe ich mich stark die abgefahrenen Streifen von David Lynch erinnert gefühlt, den die meisten von Werken wie "Twin Peaks", "Lost Highway", "Blue Velvet", "Wild at Heart" oder "Mulholland Drive" kennen dürften, die ja allesamt schwer greifbar sind, wenig auf das "konventionelle" Filmemachen geben, dafür aber andere Merkmale deutlicher herausstellen. Gleiches gilt für "A Girl walks Home alone at Night": In fast schon hypnotischen Schwarz-weiß-Bildern, langen Kameraeinstellungen und mit Dialogen, die an Jim Jarmusch erinnern, führt die iranisch-amerikanische Regisseurin und Drehbuchautorin Ana Lily Amirpour durch ihr Werk, das man (aufgrund des überschaubaren Casts) durchaus als Ensemble-Film bezeichnen kann.

Schauspielerisch kann man hier keinem Darsteller einen Vorwurf machen - eher noch im Gegenteil. Die sehr "straffen" und aufs Wesentliche reduzierte Dialoge zwingen die Akteure regelrecht dazu, Emotionen innerhalb kürzester Zeit und ohne Umschweife auf den Punkt zu bringen, was sicherlich keine einfache Übung ist. Wie ich finde, haben aber alle Beteiligten eine solide Darstellung auf die Leinwand gebracht.

Im Großen und Ganzen würde ich den Film als sehr unkonventionelle "Kunstfilm-Produktion" bezeichnen: Teilweise überzeichnete Charaktere, Setting und Kamera-Arbeit und eine eher "handlungsarme" Geschichte, die aber schnörkellos durcherzählt wird, bieten hier die Merkmale, die man vom amerikanischen Independent-Kino kennt und schätzt. Dass das nicht immer 100%ig funktionieren muss, sieht man auch in diesem Fall. Beispielsweise hatte ich von Beginn an einige Probleme, "Zugang" zu den Hauptfiguren zu finden, was vermutlich nicht zuletzt auf die "gestraffte" Erzählweise zurückzuführen ist. Teilweise hatte ich den Eindruck, dass der Plot ein bisschen dem künstlerischen Aspekt weichen musste, wobei man der Erzählung seine Message wahrlich nicht absprechen kann.

Das Werk wurde oft als "feministisch" tituliert, was wohl auch berechtigt, allerdings nicht negativ belegt ist. Bedenkt man die iranischen Wurzeln der Regisseurin, muss es sogar als sehr mutig angesehen werden, dass Ana Lily Amirpour mit ihrem Film die von Männern dominierten traditionellen Werte auf den Prüfstand stellt: Da ist dieses junge Mädchen im Tschador, das mutterseelenallein durch die Straßen zieht und nicht nur die moralische Instanz in der Erzählung darstellt, sondern sich zudem (sowohl in ihrer Rolle als Vampirin als auch als heranwachsendes Mädchen) in Selbstbestimmung übt. Dass das ganze Szenario dann auch noch mit 50er-Jahre-USA-Ästhetik vermischt wird - Arash fährt hier einen Ford Thunderbird und erinnert optisch an einen amerikanischen Rockabilly - und auch musikalisch die Grenzen zwischen westlicher Popkultur und Einflüssen aus dem Nahen Osten zusehends verschwimmen, dürfte die Provokation dann noch perfekt machen.

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Nun ja, zugegebenermaßen kann ich noch gar kein abschließendes Fazit ziehen. [hmm] Inszenatorisch wurde wohl alles richtig gemacht, kommt die düstere Atmopshäre mit melancholischer Note in diesen prägnanten S/W-Bildern doch bestens zur Geltung. Erzählerisch hätte man sicherlich einiges besser machen können (vielleicht mit mehr Dialogen) und dem Zuschauer die Message nicht so offensichtlich vor den Latz knallen sollen, sollte aber das Gesamtkunstwerk beurteilen - vor allem unter Berücksichtigung des "iranisch-provokativen" Aspekts. Wer sich den Streifen anschauen möchte, sollte aber insofern "vorgewarnt" sein, als dass es sich zweifelsohne um Independent-Kino handelt, dessen Referenzen augenscheinlich bei Filmschaffenden wie David Lynch und Jim Jarmusch zu verorten sind und bekanntermaßen nicht jedermanns Geschmack sein dürften. Kurzum: Wer sich eher im Hollywood-Blockbuster-Kino beheimatet fühlt, sollte sich den Film definitiv nicht anschauen.

Auf jeden Fall kann ich sagen, dass mir der Film (trotz der genannten Schwächen) noch immer durch den Kopf schwirrt und ich mir Gedanken darüber mache - was ich immer als positives Zeichen werte. [yeshappy] Von daher gebe ich mal drei (sehr solide) Punkte, wobei ich nicht ausschließen kann, dass ich meine Beurteilung noch nach oben hin korrigiere.

Meine Wertung: [popcorn] [popcorn] [popcorn] von 5 Popcorn-Portionen.
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2014 // A Girl walks Home alone at Night

Beitrag von Sponskonaut »

Sponskonaut hat geschrieben: Mo 23. Nov 2015, 12:09Von daher gebe ich mal drei (sehr solide) Punkte, wobei ich nicht ausschließen kann, dass ich meine Beurteilung noch nach oben hin korrigiere.
Ich packe den Thread mal wieder aus, weil ich mir den Film vor einiger Zeit tatsächlich gekauft habe. Weil mich das Mediabook bei Saturn zum Schnäppchenpreis so angelacht hatte, hatte ich es kurzerhand einfach mal mitgenommen. Hier ist mal ein Unboxing-Video dazu:



Ich kann auch gar nicht verstehen, dass ich dem Film "nur" 3 Punkte gegeben habe. Ich habe den Rewatch zwar bislang noch nicht gemacht, aber grundsätzlich habe ich den Streifen dann doch stärker in Erinnerung. Na ja, werde ihn mir demnächst sicherlich noch mal anschauen. Mochte einfach die Stimmung und die Atmosphäre.
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